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Alles im Wandel

Alle Jahreszeiten an einem Tag, nie weiß man, was man anziehen soll, wenn man auch nur kurz zum Bäcker huscht – der April ist der Inbegriff des Unzuverlässigen. Sprichwörtlich bedeutet er den Wandel, bevor die Menschen dann in den frühlingshaften Wonnemonat Mai schreiten.

Der stete Wechsel scheint ein perfektes Abbild des Lebens und der Veränderung von Lebensschwerpunkten und Weltanschauungen zu sein. Das kann durchaus anstrengend sein, besonders, wenn es mehr als die Entscheidung zwischen T-Shirt oder Regenjacke nach sich zieht. Was heute gilt, kann morgen schon vollkommen überholt sein.

Nicht immer aber bedeutet „alles neu“ auch eine Verbesserung, es kann auch Liebgewonnenes verschwinden lassen – sogar die Oma, den Opa oder andere Familienmitglieder. In den vergangenen Jahren hat sich laut Statistiken der Wandel in der Bestattungs- und Erinnerungskultur beschleunigt. Nachdem bereits seit Jahrzehnten Feuerbestattungen einen immer größeren Anteil einnehmen, werden jüngst Natur- oder Seebestattungen immer häufiger gewählt. Die Motivation liegt auf der Hand: Den Angehörigen soll eine Grabpflege erspart werden.

Die Friedhöfe hingegen werden leerer. Immer weniger Menschen werden hier beigesetzt, Grabstellen verwaisen. Für die Betreiber, also die Städte oder Kirchengemeinden, ist dies ein Problem – denn auch ein Friedhof muss sich wirtschaftlich tragen. Aufgrund der Liegezeiten kann er aber auch nicht aufgelöst und umgewidmet werden. Zwar vermelden einige Gemeinden ein erneutes Ansteigen der Erdbestattungen im Sarg, aber noch scheint es verfrüht, von einer Trendumkehr zu sprechen.

Dabei bieten Friedhöfe, trotz eines erhöhten Grabpflegeaufwands, die beste Voraussetzung, der Erinnerung einen Ort und Halt zu geben. Das betrifft nicht nur die eigenen Familienangehörigen, an deren Grab, vielleicht zum Geburtstag oder Sterbetag, am Totensonntag oder Karfreitag Blumen niedergelegt werden. Es betrifft auch die anderen hier bestatteten Menschen. Wohl jeder Besucher eines Friedhofs hat beim Gang entlang der Wege schon einmal innegehalten, weil er oder sie ein Grab entdeckt hat: „Ach guck mal, mein alter Biolehrer. Wann ist der denn gestorben?“ Vielleicht war es auch der Fußballtrainer oder der Kioskbetreiber. So wird auch das eigene Grab irgendwann einmal zufällig von Passanten gefunden, die dann zurückdenken, um sich zu erinnern. Und darauf wollen Sie verzichten?

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